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Riesige Wirbel auf der Sonne

Nr. 6 - 07.05.2018

Neu entdeckt: Auf der Sonne treten riesige, wirbelförmige Wellen auf. Sie ähneln denjenigen, die in der Erdatmosphäre das Wetter bestimmen.

(mps) Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der Universität Göttingen hat neue, wirbelförmige Wellen auf der Sonne entdeckt. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Astronomy berichten, breiten sich diese Rossby-Wellen entgegengesetzt zur Rotationsrichtung der Sonne aus, haben Lebensdauern von mehreren Monaten und maximale Amplituden am Äquator der Sonne. Vierzig Jahre lang hatten Wissenschaftler über die Existenz solcher Wellen auf der Sonne spekuliert, die in jedem rotierenden, fluiden System vorhanden sein sollten. Jetzt wurden sie erstmals eindeutig identifiziert und charakterisiert. Die solaren Rossby-Wellen sind nahe Verwandte der Rossby-Wellen, die auf der Erde in der Atmosphäre und den Ozeanen auftreten.

In fast jeder Wetterkarte der nördlichen Erdhemisphäre finden sich sogenannte atmosphärische Rossby-Wellen als herausstechendes Merkmal. Sie erscheinen als Mäander im Jetstream, der kalte Polarluft im Norden von wärmerer subtropischer Luft weiter südlich trennt. Manchmal erreichen diese Wellen die äquatorialen Regionen und können sogar das Wetter in Australien beeinflussen. Im Prinzip entstehen Wellen dieser Art (oft als planetare Wellen bezeichnet) auf jeder rotierenden Kugel aufgrund der Coriolis-Kraft. Das Saturn-Sechseck, ein stabiles Wolkenmuster am Nordpol des Planeten, ist möglicherweise ebenfalls Ausdruck dieses Wellenphänomens.

Dass Rossby-Wellen auch auf Sternen auftreten, wurde bereits vor etwa vierzig Jahren vorhergesagt. "Solare Rossby-Wellen haben sehr kleine Amplituden und Perioden von mehreren Monaten, sodass sie extrem schwer zu erkennen sind", sagt Prof. Dr. Laurent Gizon, Leiter des Forscherteams, dem die Entdeckung jetzt gelungen ist, und Geschäftsführender Direktor des MPS und Professor am Institut für Astrophysik der Universität Göttingen. Die Studie erforderte deshalb mehrjährige, hochpräzise Beobachtungen der Sonne. Die Wissenschaftler vom MPS analysierten einen Datensatz des Instrumentes Heliospheric and Magnetic Imager (HMI) der NASA-Sonde Solar Dynamics Observatory (SDO), der sechs Jahre überspannt.

"Die HMI-Aufnahmen haben eine ausreichend hohe räumliche Auflösung, um die Bewegung der Granulen auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne verfolgen zu können", sagt Dr. Björn Löptien, Wissenschaftler am MPS und Erstautor der neuen Studie. Bei den Granulen handelt es sich um vergleichsweise kleine Konvektionszellen, die auf der Sonnenoberfläche etwa 1.500 Kilometer groß sind. In ihrer neuen Studie verwendeten die Forscher die Granulen als passive Tracer: Ihre Bewegung zeigt die zugrunde liegenden, viel größeren Wirbelströmungen auf, die mit den Rossby-Wellen verbunden sind. Zusätzlich verwendeten die Forscher Methoden der Helioseismologie, um die Entdeckung zu bestätigen und die Rossby-Wellen im Sonneninneren in Tiefen bis zu 20.000 Kilometern zu untersuchen.

"Insgesamt finden wir auf der Sonne große wirbelförmige Wellen, die sich entgegen der Rotation bewegen. Dass diese Wellen nur in den äquatorialen Regionen zu sehen sind, ist völlig unerwartet ", erklärt Gizon. Die Wellenmuster sind über mehrere Monate stabil. Die Forscher konnten erstmals den Zusammenhang zwischen Frequenz und Wellenlänge der Wellen bestimmen und sie so eindeutig als Rossby-Wellen identifizieren.

“Solare Rossby-Wellen sind gigantisch, ihre Wellenlängen vergleichbar mit dem Sonnenradius”, erklärt Gizon. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der inneren Dynamik der Sonne, da sie zur Hälfte der kinetischen Energie der Sonne beitragen.

Originalveröffentlichung: Björn Löptien, Laurent Gizon et al. Global-scale equatorial Rossby waves as an essential component of solar internal dynamics. Nature Astronomy 2018.
dx.doi.org/10.1038/s41550-018-0460-x.

Kontakt:
Prof. Dr. Laurent Gizon
Universität Göttingen und
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Tel.: +49 551 384979-439
E-Mail: gizon@mps.mpg.de
Internet: www2.mps.mpg.de/homes/gizon