Presseinformation: Mit neuem statistischen Ansatz überlagerte Signale entwirren
Nr. 221 - 29.10.2018
Preis des Universitätsbundes Göttingen an Dr. Merle Behr – Anwendung in der Krebsgenetik
(pug) Für ihre mit „summa cum laude“ bewertete Promotion an der Universität Göttingen ist die Mathematikerin Dr. Merle Behr mit dem Akademischen Preis des Universitätsbundes Göttingen e.V. ausgezeichnet worden. In ihrer Doktorarbeit mit dem Titel „Finite Alphabet Blind Separation“ hat sie ein neues Verfahren entwickelt, um komplexe überlagerte Signale zu rekonstruieren. Dieses wandte sie erfolgreich auf Daten aus der Krebsgenetik an. Der mit 10.000 Euro dotierte und von der AKB Stiftung geförderte Preis des Universitätsbundes wurde am 27. Oktober 2018 im Rahmen des Göttinger Alumni-Tages verliehen. Die Laudatio hielt der Leiter des Auswahlgremiums, Prof. Dr. Hans Hofsäss; anschließend überreichte der Vorsitzende des Universitätsbundes, Prof. Dr. Arnulf Quadt, die Urkunde.
In vielen unterschiedlichen Bereichen stoßen Forschende auf Probleme mit Signalen oder Datensätzen, die jeweils aus einer unbekannten Anzahl von sich überlagernden Signalen mit unbekannter Gewichtung bestehen: Wie lassen sich zum Beispiel ursprüngliche Sprach- und Audiosignale, die nur als Mischung vieler Signale erfasst wurden, rekonstruieren? Oder wie kann man in einem Krebstumor die unterschiedlichen Klone (Zell-Typen) aus DNA-Sequenzierungsdaten rekonstruieren? Dieses Wissen ist maßgeblich zum Verständnis der Krebsentwicklung, da solche Klone unterschiedliche Krebsstadien durchlaufen. Zur Lösung solcher Probleme hat Behr eine umfassende statistische Theorie entwickelt, die auf einer fundamentalen Annahme basiert: Die Datenquellen oder Signale können nur Werte aus einer begrenzten und bekannten Datenmenge, dem „Alphabet“, annehmen. Darauf basierend entwickelte sie Algorithmen und Software, um ihr neues Modell mit Hilfe simulierter Datensätze und mit Daten aus der Krebsgenetik zu testen.
„Erst die Annahme eines endlichen Alphabets macht es möglich, solche Probleme zu lösen. Ihre Arbeit öffnet die Tür für viele wichtige Erweiterungen und Anwendungen“, so Prof. Dr. Axel Munk vom Institut für Mathematische Stochastik der Universität Göttingen, der die Doktorarbeit betreut hat. „Ihr Mathematikstudium in Kombination mit Chemie ist äußerst selten und sehr anspruchsvoll, aber es hat sich gelohnt. Merle Behr kann sich so auf Augenhöhe mit Forscherinnen und Forschern aus der Genetik und der Biochemie austauschen und Ihr Verfahren direkt auf die dort gegebenen Fragestellungen anpassen und einsetzen.“ Im Rahmen ihrer Doktorarbeit kooperierte sie zum Beispiel mit Arbeitsgruppen am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und mit Biologen an der Universität Oxford.
Merle Behr wurde schon mit diversen Preisen ausgezeichnet, so zum Beispiel mit der Simons Visiting-Professur am Mathematischen Forschungszentrum Oberwolfach, die sie im Frühjahr 2019 auch wieder nach Göttingen führen wird. Aktuell forscht sie als „Neyman Visiting Assistant Professor“ an der University of California in Berkeley.