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Presseinformation: Neues Zeitalter für Genbanken bricht an

Nr. 238 - 12.11.2018

Team unter Leitung von Prof. Dr. Nils Stein charakterisiert Vielfalt einer Sammlung molekular


(pug) Biodiversität ist mehr als nur die Vielfalt der Arten. Ein weiterer, wichtiger Aspekt von Biodiversität ist die genetische Vielfalt innerhalb einer Art. Diese zeigt sich bei Kulturpflanzen in der Vielfalt der Sorten. Ein internationales Forschungskonsortium unter der Leitung von Prof. Dr. Nils Stein hat nun eine der weltweit umfassendsten Sammlungen von Gerstensorten molekular charakterisiert – insgesamt mehr als 22.000 Saatgutmuster. Stein hat eine Brückenprofessur, welche die Universität Göttingen mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben verbindet. Die Wissenschaftler beschreiben den Beginn eines neuen Zeitalters für Genbanken, die sich von reinen Sammlungen zu bio-digitalen Ressourcenzentren entwickeln. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Genetics erschienen.

 

Um die genetische Vielfalt von Kulturpflanzen zu sichern und wissenschaftlich zu erforschen, werden in so genannten Genbanken Proben verschiedener Landrassen, Sorten und Wildformen gesammelt. Eines der weltweit umfassendsten Sortimente für viele Kulturpflanzen, darunter der Gerste, ist die bundeszentrale Ex-situ-Genbank am IPK Gatersleben. Forscher des IPK und der Universität Göttingen arbeiteten mit Kollegen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Julius Kühn-Instituts (JKI) und des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen Quedlinburg sowie mit Teams aus Japan, China und der Schweiz zusammen. Durch die internationale Kooperation konnte geklärt werden, wie umfassend das IPK-Weltsortiment der Gerste zusammengesetzt ist. Von jedem der über 22.000 Saatgutmuster wurde jeweils eine Einzelpflanze genotypisiert. Auf diese Weise konnten die Forscher gezielt genetische Duplikate in der Sammlung identifizieren. Dies eröffnet neue Möglichkeiten des Qualitätsmanagements, aber auch eine effektive Nutzung der Sammlung in Forschung und Züchtung. Pflanzenlinien, die eine vertiefende Betrachtung verdienen, lassen sich gezielter als bisher aufspüren.

 

Stein sagt: „Mit dieser Veröffentlichung gelingt es, ein großes Sortiment einer weltweiten Sammlung in einer Genbank molekulargenetisch komplett zu beschreiben – mit anderen Worten, die weltweite natürliche Diversität einer der wichtigsten Kulturarten mit einem Blick zu erfassen.“ Dafür nutzten Stein und sein Team die Methode des „Genotyping-by-Sequencing“ (GBS). Grundlage der Arbeit bildet die vollständige DNA-Sequenz der Gerstensorte „Morex“. Diese liegt als Anker-Sequenz seit 2017 in hoher Qualität vor. Um die kompletten Genome sämtlicher Gerste-Muster und deren Wildformen zu charakterisieren, suchten die Forscher nach sogenannten SNPs (Einzelnukleotidpolymorphismen). Insgesamt fanden sie über 171.000 dieser kleinen Variationen in der DNA, die jeweils nur ein einzelnes Basenpaar betreffen. „Eine Dichte, die im Genom der Gerste (insgesamt 5 Milliarden Basenpaare) geeignet ist, kleinste Unterschiede aber auch Dopplungen zielsicher aufzuspüren“, so Stein.

 

„Valide Rückschlüsse auf Herkunft, Verbreitungsgebiet und Ähnlichkeiten sind so möglich. Durch die Digitalisierung und öffentliche Verfügbarkeit lassen sich die Ergebnisse dank eines modernen Datenbanksystems gezielt abfragen und mit den Passport-Daten der Genbanken aber auch mit eigenen Forschungs- und Züchtungsdaten kombinieren“, ergänzt Dr. Martin Mascher vom IPK und iDiv. Die Kombination von historischen Daten der Genbanken mit den molekularen Analysen zeigt eindrucksvoll, welche Möglichkeiten in Genbanken schlummern. Nur mit modernen Forschungsansätzen und Methoden sowie im Verbund mehrerer Teams kann es gelingen, den Schatz der genetischen Vielfalt zu nutzen und zu erhalten. Prof. Dr. Frank Ordon vom Julius Kühn-Institut betont: „Da sich die Pflanzenzüchtung vermehrt auf wechselnde Umweltbedingungen wie Hitze, Trockenheit, neue Schaderreger, aber auch Veränderungen bezüglich des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes einstellen muss, sind detaillierte Kenntnisse über die genetische Variabilität und deren Nutzung eine Voraussetzung für die Züchtung angepasster Sorten. Gene, die für wichtige Eigenschaften codieren, lassen sich so in Landrassen oder verwandten Wildarten schneller auffinden und in der Züchtung nutzen“. 

 

Der praktische Wert einer Sammlung wie jener am IPK Gatersleben war bisher begrenzt, da umfassende genetische Informationen zu den Saatgutmustern fehlten. Dank der neuen Analyse ist für die Gerste nun eine gezieltere Datenbankabfrage zu den 22.626 Samenmustern möglich. Das im Projekt entwickelte und öffentlich zugängliche BRIDGE „Data Warehouse“ markiert den Startpunkt für ein bio-digitales Ressourcenzentrum.

 

Originalpublikation:

Sara G. Milner et al. „Genebank genomics highlights the diversity of a global barley collection”. Nature Genetics (2018). https://www.nature.com/articles/s41588-018-0266-x

 

Kontakt:

Prof. Dr. Nils Stein

Georg-August-Universität Göttingen

Zentrum für Integrierte Züchtungsforschung

Leiter der Forschergruppe „Genomics of Genetic Resources“

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben

Telefon: 039482 5522

E-Mail: stein@ipk-gatersleben.de