Presseinformation: Schutz von geflüchteten Frauen und Mädchen in Deutschland unzureichend
Nr. 113 - 15.07.2021
„Schattenbericht“ unter Mitarbeit der Universität Göttingen kritisiert Umsetzung der Istanbul-Konvention durch die Bundesregierung
(pug) Deutschland kommt seinen rechtlichen Anforderungen zum diskriminierungsfreien Schutz geflüchteter Frauen und Mädchen nicht nach. Zu diesem Ergebnis kommt ein „Schattenbericht“ der Universität Göttingen, des Vereins Pro Asyl und der Flüchtlingsräte Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse und einer Abfrage von 65 Frauenberatungsstellen, psychosozialen Beratungsstellen und Einrichtungen der Geflüchtetenarbeit aus allen 16 Bundesländern stellt die Untersuchung fest, dass Deutschland geflüchtete Frauen und Mädchen nicht ausreichend schützt und den Vorgaben der sogenannten Istanbul-Konvention nicht gerecht wird.
„Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ist in Deutschland seit über zwei Jahren in Kraft“, erläutert die Migrationsforscherin Prof. Dr. Sabine Hess von der Universität Göttingen. „Mit der Ratifizierung hat sich die Bundesrepublik verbindlich dazu verpflichtet, Frauen unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status vor allen Formen von Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung ihrer Diskriminierung zu leisten sowie ihre Gleichstellung und ihre Rechte zu fördern.“
Die Autorinnen des Berichts kritisieren an der Situation in Deutschland insbesondere die lange Unterbringung von Geflüchteten in großen Sammellagern, fehlende Konzepte zum Gewaltschutz in den Lagern, mangelnde Expertise im Hinblick auf vulnerable und von Gewalt betroffene Menschen, eine unzureichende Gesundheitsversorgung für Frauen und Mädchen sowie eine ungenügende Beratungs- und Unterstützungsstruktur.
„Die Bundesregierung kommt ihrem gesetzlichen Auftrag aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt – und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – ganz und gar nicht nach“, sagt Hess. „Vielmehr stehen die jüngsten Verschärfungen des deutschen Asyl- und Aufenthaltsrechts Gewaltschutzaspekten diametral entgegen. Es besteht umfangreicher Handlungsbedarf, um dies zu ändern.“
Der gesamte Bericht auf Deutsch und Englisch ist online unter https://uni-goettingen.de/de/647126.html zu finden.
Kontakt:
Prof. Dr. Sabine Hess
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie
Heinrich-Düker-Weg 14, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-25349
E-Mail: shess@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/208718.html