Presseinformation: Sind kleine tierhaltende Betriebe nachhaltiger?
Nr. 157 - 03.11.2022
Betriebsgrößen: Göttinger Forschungsteam untersucht die gesellschaftliche Wahrnehmung
(pug) In der gesellschaftlichen Debatte zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft spielt die Größe des landwirtschaftlichen Betriebs eine wichtige Rolle. Viele Menschen bevorzugen kleine Betriebe mit Nutztierhaltung. Dies hat eine Verbraucherstudie der Universität Göttingen ergeben. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift PLOS Sustainability and Transformation erschienen.
Für die Studie wurden 985 Bürgerinnen und Bürger in Deutschland im Mai 2021 online befragt. Die Stichprobe ist in Bezug auf Alter, Geschlecht, Bildung und regionaler Verteilung repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Untersucht wurden Assoziationen der Bevölkerung zur Betriebsgröße, Wahrnehmungen der Medienberichterstattung über Betriebe unterschiedlicher Größe, Einstellungen zu gesetzlichen Regelungen zu Betriebs- und Herdengrößen sowie die Überzeugungskraft von wissenschaftlichen Ergebnissen.
Die große Mehrheit der Teilnehmenden (75,8 Prozent) zeigt eine klare Präferenz für kleine Tierhaltungsbetriebe und das, obwohl die Betriebsgröße von den Befragten als wenig wichtig für einen „idealen“ Tierhaltungsbetrieb gesehen wird. Die Präferenz für kleine Betriebe rührt daher, dass diese als vorteilhaft in Bezug auf das Wohlergehen der Tiere, den Umweltschutz und die Produktqualität bewertet wird. Lediglich die Wirtschaftlichkeit wird als problematisch gesehen. „Es fällt vielen Menschen schwer, die Nachhaltigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben einzuschätzen“, kommentiert Erstautorin Prof. Dr. Gesa Busch, die nun an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf forscht. „Daher wird die Betriebsgröße wohl als Ersatzindikator herangezogen – auch wenn dies aus fachlicher Sicht zu Fehleinschätzungen führen kann.“
Fast alle Befragten erinnern sich an negative Medienberichterstattung über Tierhaltungsbetriebe (92 Prozent der Befragten), und 83 Prozent geben an, dass es dabei häufiger um große Betriebe ging. An positive Medienberichterstattung erinnern sich mit 81 Prozent etwas weniger Menschen, zudem wird diese hauptsächlich mit kleinen Betrieben in Verbindung gebracht (56,8 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich Regelungen, die die Größe der Betriebe und Ställe in der Tierhaltung begrenzen. Viele Menschen haben eine Präferenz für kleine Betriebe in der Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu haben wissenschaftliche Untersuchungen zumeist keinen direkten Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Nachhaltigkeitsindikatoren gefunden. Die Ergebnisse aus der Wissenschaft zu einem fehlenden Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Tier- oder Klimaschutz überzeugen jedoch nur 33 Prozent oder 39,8 Prozent der Menschen in der Stichprobe.
Dies stellt eine Herausforderung für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit über die Zukunft der Landwirtschaft dar, da die Betriebsgrößen voraussichtlich weiter zunehmen werden und sich aus wissenschaftlicher Sicht keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Betriebsgrößen und Nachhaltigkeit zeigen. „Entscheidender als die Betriebsgröße sind das Haltungssystem sowie die Kompetenzen und das Engagement der Mitarbeitenden. Beides kann in großen wie in kleinen Betrieben gegeben sein“, so Co-Autor Prof. Dr. Achim Spiller.
Originalveröffentlichung: Busch, G., Bayer, E., Spiller, A., Kühl, S. „Factory farming“? Public perceptions of farm sizes and sustainability in animal farming. PLOS Sustainability and Transformation 2022. https://doi.org/10.1371/journal.pstr.0000032
Kontakt:
Dr. Sarah Kühl
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung
Abteilung Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte
Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen
E-Mail: sarah.kuehl@agr.uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/443621.html