Presseinformation: Wachstumschancengesetz: Maßnahmen auf dem Prüfstand
Nr. 33 - 27.02.2024
Forschende untersuchen Wirkungen von steuerlichen Entlastungen für Unternehmen
(pug) Zunehmender Standortwettbewerb, multiple Krisen und hohe Energiepreise – Unternehmen müssen sich großen Herausforderungen stellen. Das derzeit umstrittene Wachstumschancengesetz soll sie vor diesem Hintergrund steuerlich entlasten und Anreize für Innovation und Wachstum setzen. Der Gesetzesbeschluss des Bundestags sieht unter anderem vor, Investitionen in den Klimaschutz mit einer Investitionsprämie steuerlich zu fördern. Zudem sollen Unternehmen Betriebsgebäude und sogenannte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie Maschinen schneller abschreiben können. Zur Finanzierung wurde ein „Sondervermögen“ vorgeschlagen. Von anderer Seite werden die Abschaffung des Solidaritätszuschlags – also eine Steuersatzsenkung – und Einsparungen gefordert. Forschende der Universität Göttingen und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt haben untersucht, wie stark die Investitionsprämie, die sogenannte degressive Abschreibung sowie eine Steuersatzsenkung um fünf Prozentpunkte Unternehmen zu Investitionen anregen würden und welche Folgen dies für die Staatskasse hätte. Die Analyse stellt das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung als „Discussion Paper“ zur Verfügung.
„Die steuerliche Entlastung, die mit einer Kürzung des Steuersatzes um fünf Prozentpunkte verbunden ist, übersteigt die Entlastungen durch die Investitionsprämie für den Klimaschutz oder die degressive Abschreibung von Betriebsgebäuden und Wirtschaftsgütern mehrfach. Dies würde die staatlichen Steuereinnahmen entsprechend beschneiden“, erklären die Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Andreas Oestreicher von der Universität Göttingen und Prof. Dr. Reinald Koch von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Zugleich schaffe der gesenkte Steuersatz nur in geringem Maße Anreize für Investitionen, da er sich auf Kapitalkosten wie Zinsen weniger auswirke als Investitionsprämien und Abschreibungsvergünstigungen.
Welche Maßnahmen geeignet sind, hängt den Forschenden zufolge von der Zielsetzung ab: Steht die steuerliche Entlastung der Unternehmen im Vordergrund, um Gewinne und internationale Wettbewerbsfähigkeit herzustellen, ist bei profitablen Unternehmen die Senkung des Steuersatzes das Mittel der Wahl. Sollen Investitionen am Standort Deutschland gefördert werden, sind die Investitionsprämie und degressive Abschreibung wirksamer.
„Die Investitionsprämie begünstigt allerdings auch Unternehmen, die höhere Abschreibungsbeträge nicht erwirtschaften können, Verluste erzielen oder solche vortragen“, geben die Forschenden zu bedenken. Geht eine Investitionsprämie über den finanziellen Wert der degressiven Abschreibung deutlich hinaus, wie im Wachstumschancengesetz für den Klimaschutz vorgesehen, können nachteilige Effekte entstehen: Die Investitionsprämie senke dann die Kapitalkosten und die Steuereinnahmen des Staates pro investierten Euro, so die Forschenden. Um zu beurteilen, ob eine steuerliche Entlastung der Kapitalkosten tatsächlich Investitionen fördert, fehle jedoch die empirische Evidenz.
„Die Ergebnisse beruhen auf den komplexen Wirkmechanismen steuerlicher Anreizsysteme und zeigen deren Chancen für Investition und Wachstum in Deutschland auf“, so Oestreicher. Zugleich würden die Kosten für den Fiskus ermittelt, „die sich umso mehr auszahlen, je mehr Investition und Wachstum angeregt wird“. Diese Einsichten verdeutlichen dem Forschungsteam zufolge die Notwendigkeit, die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Förderung von Investitionen und die Sicherung der staatlichen Steuereinnahmen gleichermaßen zu betrachten. Im Falle des Wachstumschancengesetz gelte es daher, die fiskalischen und investiven Auswirkungen sorgfältig abzuwägen.
Originalveröffentlichung: Boie-Wegener, M., Koch, R., Oestreicher, A., Schön, L. (2024). Die fiskalische Wirkung von Steuersatzsenkungen, Abschreibungsvergünstigungen und Investitionsprämien in Krisenzeiten – Eine quantitative Analyse in Bezug auf deutsche Kapitalgesellschaften. ZEW Discussion Paper Nr. 24-008, Mannheim. https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp24008.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Oestreicher
Georg-August-Universität Göttingen
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Abteilung für deutsche und internationale Besteuerung
Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 39-27308
E-Mail: andreas.oestreicher@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/69899.html