Von den molekularen Mechanismen zur Verhaltenssteuerung: Modelle zur Prozessierung von Gedächtnissen auf multiplen Erklärungsebenen
Der Pilzkörper – eine zentrale gedächtnisbildende Struktur des Insektengehirns – eignet sich ideal als Modellsystem für die Untersuchung fundamentaler Prozesse für die Bildung, die Verfestigung, und den Abruf von Gedächtnissen. Bereits bestehende theoretische Modelle haben gemein, dass sie stark vereinfachte Plastizitätsregeln mit einer einfachen Adaptationszeitkonstante zu Grunde legen. Diese Modellierungsansätze werden der Komplexität des Systems nicht gerecht. Die Verarbeitung von Gedächtnissen erfolgt auf verschiedenen Ebenen und umfasst molekulare-, zelluläre- und Netzwerkmechanismen. Dabei laufen die Prozesse auf verschiedenen, den jeweiligen Ebenen immanenten Zeitskalen ab, deren Integration die Gedächtnisleistungen und das Verhalten wesentlich bestimmen. Der vorliegende Projektantrag verfolgt einen dreifachen Ansatz. (1) In enger Kooperation mit den experimentellen Partnern des Verbundprojekts planen wir ‚vertikale‘ Modellkomponenten zu erstellen, die in den Partnerprojekten gezielt untersuchte Mechanismen und Prozesse biologisch realistisch und detailliert beschreiben. (2) Die individuellen vertikalen Modellkomponenten werden Schritt für Schritt in ein ‚horizontales‘ Gesamtnetzwerkmodell eingebettet. Auf dieser systemischen und funktionellen Modellkomponente greifen unterschiedliche Mechanismen ineinander und erlauben experimentelle Vorhersagen auf den verschiedenen Ebenen, insbesondere der Verhaltensebene. (3) Aus der Theorieperspektive sind mathematische und algorithmische Beschreibungen komplexer Lernregeln von besonderem Interesse, sowohl im Sinne fundamentaler Bausteine in der Computational Neuroscience, als auch für biologisch inspirierte Ansätze im Bereich von ‚deep learning‘ und künstlicher Intelligenz.